Luckenwalde. Von Hartmut F. Reck Märkische Allgemeine vom 07.07.2017 Der erste Schritt ist bekanntlich immer der schwerste. Aber wer Schwierigkeiten hat beim Lesen und Schreiben und vermutlich dann auch beim Rechnen, der sollte diesen Schritt nicht scheuen. Und zu schämen braucht er sich auch nicht, denn genau für ihn (oder für sie) ist die neue Einrichtung gedacht, die demnächst am Standort Dessauer Straße 25 der Volkshoch- schule (VHS) Teltow-Fläming in Luckenwalde eröffnet wird: ein Lernstudio.
Dieses Lernstudio soll aber nicht aussehen wie ein Klassenzimmer, also „gänzlich ohne Schulcharakter“ sein, betont Ilse Ryczewski. Sie ist unter anderem zuständig für die Grundbildung an der VHS. „Das Lernstudio ist kein kursähnliches Angebot, sondern offen für alle“, sagt sie. „Es soll ein Ort sein, wo ich mich gerne aufhalte“, ergänzt Lernstudio-Koordinatorin Claudia Hoffmann, womit sie nicht nur sich, sondern vor allem die Menschen meint, die das Lernstudio nutzen sollen.
„Wir wollen eine gemütliche Atmosphäre schaffen“, sagt Claudia
Hoffmann, „wo allgegenwärtig Lernmaterial ausliegt wie Setzkästen, Buchstabentafel, Bücher in leichter Sprache und natürlich auch Schreibmaterial in Form von Stiften, Papier und Technik, kopierte Übungsbögen und spielerische Angebote.“
Ziel des Lernstudios ist es, Menschen ohne ausreichende Grundbildung, also mit „funktionalem Analphabetismus“, ein niedrigschwelliges Angebot zu machen, wo sie
sich beraten lassen können und wo ihnen auch unmittelbar geholfen wird.
„Leute, die nicht gut lesen und schreiben können, haben immer jemanden, der es für sie tut“, sagt Claudia Hoffmann. Deshalb versuche man, sie auf diese Weise direkt zu erreichen oder eben über Menschen, die einen direkten Kontakt zu ihnen haben wie etwa Kita-Erzieher, Mitarbeiter der Frühförderung, des Jobcenters oder der Arbeits- und der Jugendarbeitsagentur, denen die Defizite auffallen und die gezielt auf das Lernstudio aufmerk- sam machen können. Dazu haben die Mitstreiter des Projekts der Volkshochschule, das sich Alpha- Bündnis Teltow-Fläming nennt, weil es verschiedene Akteure zu vernetzen sucht, bereits derartige Multiplikatoren sensibilisiert und auf die anvisierten Ziele aufmerksam gemacht.
Dass dies durchaus einen Sinn ergibt, zeigt allein schon die Zahl von schätzungsweise 15 000 Erwachsenen im Landkreis Teltow-Fläming, die nicht richtig lesen und schreiben können. Diese Zahl ergibt sich aus
der für ganz Deutschland angenommenen Zahl von 7,5 Millionen funktionalen Analphabeten, die lediglich mit großer Mühe einzelne Sätze lesen oder schreiben können.
Die Fähigkeit, auch längere Textabschnitte zu verstehen und schreiben zu können, „ist eine wichtige Voraussetzung zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“, sagt Ilse Ryczewski. Deshalb seien vor allem junge Leute eine wichtige Zielgruppe für sie, weil diese noch die ganze Berufszeit vor sich haben und auch in der Lage sein sollten, ihren Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen. Die Hoffnung besteht darin, dass sich Besucher des Lernstudios dann doch dafür entscheiden, einen regulären Alphabetisierungskurs zu belegen, der natürlich kostenlos ist.
Das Lernstudio bietet obendrein auch die Unterweisung im Umgang mit Computern an, weil dies inzwischen ebenso zur Kulturkompetenz gehört. Die Eröffnung der Einrichtung findet am Montag, dem 17. Juli, um 17.07 Uhr in der Dessauer Straße 25 statt.